Katabatische Winde: die Risiken für Fahrtensegler verstehen
Katabatische Winde sind ein meteorologisches Phänomen, das oft wenig bekannt ist, für Fahrtensegler jedoch eine potenzielle Gefahr darstellen kann. Diese abfallenden Winde entstehen in der Regel, wenn eine abgekühlte Luftmasse dichter wird als die umgebende Luft und daraufhin hangabwärts strömt – oftmals mit stark zunehmender Geschwindigkeit.
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Obwohl das Phänomen häufiger in Gebirgs- oder Polarregionen auftritt, kann es sich grundsätzlich in jedem Gelände bilden, sofern die Bedingungen dafür günstig sind. Katabatische Winde, die beim Herabfallen von Berghängen kräftige Böen erzeugen, verdienen besondere Aufmerksamkeit, damit man ihnen auf See besser begegnen kann. Im Folgenden einige Erklärungen, die helfen, dieses Phänomen besser zu verstehen und es während der Navigation rechtzeitig zu erkennen.
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Der „Mechanismus“ der katabatischen Winde
Katabatische Winde entstehen, wenn eine Luftmasse, die durch Ausstrahlung oder den Kontakt mit einer kalten Oberfläche, wie zum Beispiel einem Gletscher oder einem Berg, abgekühlt wird, dichter wird als die umgebende Luft. Diese Abkühlung führt zu einer Art thermischem Ungleichgewicht, das Wissenschaftler als „Downdraft“ bezeichnen. Dieses Phänomen ist oft mit einer Temperaturinversion verbunden, bei der die kältere Luft in Bodennähe eingeschlossen bleibt, während sich wärmere Luft weiter oben befindet. Der katabatische Wind strömt dann unter dem Einfluss der Schwerkraft den Hang hinunter, und die Windgeschwindigkeit kann bis zu 50 km/h erreichen.
Katabatische Winde treten am häufigsten in Polarregionen auf. Die sogenannten „Polynjas“, zum Beispiel eisfreie Gebiete in der Arktis und Antarktis, entstehen hauptsächlich durch katabatische Winde, die vom Kontinent zum Meer wehen und das Eis von der Küste wegtreiben. Diese offenen Flächen im „Packeis“ sind nicht nur ein wichtiger Lebensraum für die Meerestiere, sondern zogen auch Entdecker seit dem 19. Jahrhundert an, die sie als Zugangswege für Polarexpeditionen nutzten. Entdecker wie der Norweger Fridtjof Nansen, der 1893 die erste arktische Drift an Bord der Fram durchführte, nutzten die „Polynjas“, um der Eisdicke zu entgehen und ihre Missionen fortzusetzen. Das Phänomen bietet eine Navigationsmöglichkeit für diejenigen, die sich in diese entlegenen Regionen wagen wollen.

Günstige Bedingungen für die Bildung katabatischer Winde
Es gibt zwei Arten der Abkühlung, die einen katabatischen Wind erzeugen können:
- Strahlungsabkühlung: Tritt nachts auf, wenn die Oberfläche der Erde oder der Berge durch Ausstrahlung Wärme verliert und die Luft direkt darüber abkühlt.
- Kontaktkühlung: Dieser Prozess findet statt, wenn Luft über eine vereiste oder sehr kalte Oberfläche strömt und deren Temperatur annimmt.
Damit der katabatische Wind ausgelöst wird, ist eine Temperaturinversion, ein niedriger atmosphärischer Druck im Tal und ein ausreichendes Gefälle erforderlich, um die Luft schnell abwärts strömen zu lassen.

Die Auswirkungen katabatischer Winde auf die Schifffahrt
Die Folgen eines katabatischen Windes für Fahrtensegler können dramatisch sein. Wenn ein katabatischer Wind über eine Wasserfläche weht, kann dies die Navigation extrem schwierig und gefährlich machen.
Hier sind einige der Haupteffekte katabatischer Winde:
- Plötzliche Windbeschleunigung: Ein katabatischer Wind kann innerhalb weniger Augenblicke von absoluter Windstille zu heftigen Böen übergehen.
- Unvorhersehbare Wellen: Die Windböen können sehr unregelmäßige Wellen erzeugen, welche die Krängung von Yachten stören.
- Nebel und eingeschränkte Sicht: Wenn die Luft abkühlt, kann Kondensation dichten Nebel bilden, der die Sicht einschränkt und die Navigation noch riskanter macht.
Segler müssen daher besonders vorsichtig sein, vor allem wenn sie in Küstengebieten mit nahegelegenen Bergen unterwegs sind.
Die bekanntesten katabatischen Winde
Der Piteraq
Einer der bekanntesten katabatischen Winde ist der Piteraq, der regelmäßig vor der Ostküste Grönlands weht. Dieser extrem heftige Wind weht im Allgemeinen mit einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 80 m/s, was etwa 180 bis 288 km/h entspricht. Der Piteraq tritt vor allem zwischen Herbst und Winter auf, wenn die grönländische Eisdecke die Luft über ihr abkühlt und dadurch ein starker Wind abfällt.
Dieses Phänomen wird von den Bewohnern der Stadt Tasiilaq, die in einem engen Tal liegt, besonders gefürchtet. Der Piteraq kann erhebliche Sachschäden verursachen und in der umliegenden Landschaft Chaos anrichten. Im Februar 1970 traf ein besonders extremer Piteraq Tasiilaq mit Windböen, die auf 325 km/h geschätzt wurden und die Stärke eines Hurrikans der Kategorie 5 weit übertrafen. Seitdem geben die dänischen Behörden spezielle Wetterwarnungen heraus, um die Bevölkerung vor diesem gefährlichen Phänomen zu warnen.
Der Williwaw
Der „Williwaw“ ist ein weiterer besonders heftiger katabatischer Wind, der in einigen Küstenregionen der Welt weht, insbesondere in Patagonien. Der Begriff „Williwaw“ stammt aus den indianischen Sprachen und wurde erstmals zur Beschreibung der heftigen Böen in der Magellanstraße verwendet, die besonders im Winter gefürchtet waren. Sein Ruf hat sich auf andere Teile der Welt ausgebreitet, in denen ähnliche Winde auftreten, wie zum Beispiel in den Fjorden Alaskas und in den Bergen entlang des Prince William Sound.
Ähnlich wie die „Piteraq“ in Grönland treten die „Williwaws“ plötzlich auf und sind selbst für die erfahrensten Meteorologen schwer vorherzusagen. Diese Unvorhersehbarkeit macht sie bei Seglern, die in diesen Regionen unterwegs sind, besonders gefürchtet. Kuriosität: 1960 erhielt ein für die damalige Zeit innovatives Tragflügelboot den Namen „Williwaw“: ein 9-Meter-Trimaran, der von David Keiper entworfen wurde und Geschwindigkeiten von über 20 Knoten erreichte.
Der Mistral
Obwohl der Mistral weniger extrem ist als der „Piteraq“ oder der „Williwaw“, ist er ein berühmter katabatischer Wind. Dieser kalte und trockene Wind entsteht, wenn die Luft über Norditalien und den Alpen abkühlt und schnell in das Rhônetal in Frankreich abfällt. Der Mistral zeichnet sich durch seine hohe Intensität aus und erreicht oft Geschwindigkeiten von 40–60 km/h, wobei er mehrere Tage lang weht. Dieser Wind ist bei Fahrtenseglern im Mittelmeer sehr bekannt und respektiert, da er sehr raue Seebedingungen verursachen kann.
Die Bora
Die Bora ist ein weiteres Beispiel für einen katabatischen Wind, der entlang der Adriaküste weht. Dieser Wind ist besonders intensiv, wenn er von den Bergen des Kvarner Golfs herabfällt und die kroatische Küste trifft. Die Bora kann eine Geschwindigkeit von 100 km/h und in einigen Fällen sogar 150 km/h erreichen, was große Wellen auf dem Meer und Schäden in den Küstengebieten verursacht. Die am stärksten von diesem Wind betroffenen Gebiete sind die Städte Rijeka und Split, wo die Bora plötzlich auftreten und nautische und landgestützte Aktivitäten unterbrechen kann.
Am 9. Dezember 2024 zeigte ein beeindruckendes Satellitenbild von Copernicus Sentinel 2 ein spektakuläres Phänomen über der Adria, zwischen der dalmatinischen Küste Kroatiens und der Insel Pag. An diesem Tag erreichte die Bora Geschwindigkeiten von über 100 km/h und verstärkte ihre Böen beim Abstieg von den Bergen entlang der kroatischen Küste. In diesem Gebiet verstärken die seichten Gewässer der Adria diese Effekte und begünstigen die Schaumbildung.

Tipps zur Minimierung der Risiken katabatischer Winde
Bevor man in See sticht, ist es für Segler unerlässlich, die lokalen Wettervorhersagen zu konsultieren und besonderes Augenmerk auf Warnungen zu thermischen Bedingungen und der Gefahr von starkem Wind zu legen. Es ist außerdem ratsam, sensible Gebiete in Zeiten erhöhten Risikos zu meiden: insbesondere nachts oder bei Sonnenaufgang, wenn die Bedingungen für die Entstehung katabatischer Winde günstig sind.
Ebenso wichtig ist es, das Boot auf schwierige Bedingungen vorzubereiten und sicherzustellen, dass die Yacht gut ausgerüstet ist, um plötzlichen Böen standzuhalten. Dazu gehört die Überprüfung der Wanten und des Riggs sowie das Reffen, falls erforderlich. Man kann sich auch dafür entscheiden, in der Gruppe zu segeln und immer in Kontakt zu bleiben. Bei unerwarteten katabatischen Winden ist es vorzuziehen, begleitet zu sein und über ein wirksames Kommunikationssystem zu verfügen, um andere Segler zu warnen oder im Notfall Hilfe anzufordern.
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